Obst- und Gemüsetrester bei der Brotherstellung
Bei der Herstellung von Obst- und Gemüsesaft fallen große Mengen an Pressrückständen (Trester) an. Dieser Trester wird meist als Tierfutter und in Düngemitteln und verwendet. Nur ein geringer Teil der produzierten Trestermenge wird zu Nahrungs- und Genussmitteln (z. B. Spirituosen, Fruchtessig) weiterverarbeitet. Teilweise wird der Obst- und Gemüsetrester auch als Rohstoff für die Gewinnung von Fasern und Pektin (Zitrus-, Rüben- und Apfeltrester) verwendet. Die Faserherstellung ist mit einem hohen Energieaufwand, u.a. durch den Trocknungsprozess, verbunden. Fasern, die durch den Trocknungsprozess gewonnen werden, haben zudem oft einen unangenehmen Geruch/Beigeschmack und sind daher nur bedingt in Lebensmitteln einsetzbar. Bei der Verarbeitung von Trester zu Fasern oder zu Spirituosen und Essig fallen zudem erneut Rückstände an. Unbehandelter Trester ist reich an Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen, etwa Flavonoiden, Carotinoiden und komplexe Polyphenolen. Er eignet sich deswegen hervorragend als wertsteigernder Zusatz in Brot und Backwaren, da sowohl Ballaststoffe als auch sekundäre Pflanzenstoffe mit gesundheitsfördernden Eigenschaften in Verbindung stehen. Zudem wird durch die Zugabe von Obst- und Gemüsetrester zum Brot dieser wertvolle Reststoff mit geringem Energieaufwand vollständig verwertet.
Um den wertvollen Trester aus der Saftproduktion im Sinne einer abfallarmen Kreislaufwirtschaft weiter zu nutzen, ist das Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU) und das NutriAct Innovationsbüro im aktiven Austausch mit einem regionalen Obst- und Gemüsesafthersteller. In Kooperation mit einer Bäckerei in Berlin wurden die erste Backversuche zur Verwendung von Obst- und Gemüsetrester durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden zwei Trestersorten (Karotte Abb. 1 und Rote Bete Abb. 2) auf Basis einer traditionellen Weizenmischbrot-Rezeptur verarbeitet. Die Zugabe der Trester erfolgte in zwei bäckereitechnologischen Verfahren. In einem Verfahren wurde der Trester, kurz vor Ende des Knetvorgangs, direkt in den Teig gegeben. Im anderen Verfahren wurde der Trester in Kombination mit Roggenmehl fermentiert und als Sauerteig zum Hauptteig gegeben. Bei beiden Verfahren wurden jeweils 12,5 % bzw. 25 % Trester der Gesamtmehlmenge zugesetzt. Die verwendeten Trestervarianten hatten unterschiedliche Auswirkungen auf das Brotvolumen. Grundsätzlich reduzierte die Zugabe von Trester das Brotvolumen, mit steigendem Trester-Anteil nahm diese Reduktion zu. Es zeigte sich, dass die direkte Zugabe vom Trester sich weniger stark auf das Brotvolumen auswirkte, als die Zugabe im Sauerteig. Im Vergleich zu Karotten-Trester zeigte die Verarbeitung von Rote Bete-Trester eine geringere Reduktion des Brotvolumens. Ein geringeres Brotvolumen bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Verminderung der Brotqualität. Selbst Brote, mit 25 % zugesetztem Trester hatten eine aufgelockerte Krumenstruktur, zudem erhöhte sich die Krumenfeuchte durch die Zugabe des faserreichen Tresters signifikant. Die Zugabe der Trester beeinflusste den Geruch und Geschmack nur gering. Bei einer Zugabe von 12,5 % konnte das sensorische Testpanel keine spezifische Veränderung des Aromas feststellen. Bei einer Zugabe von 25 % wurde bei Broten mit Karotten-Trester eine leichte "fruchtig-süße", karottenartige Note und Rote Bete-Trester ein typisches "erdiges" Aroma festgestellt. Bei der Verarbeitung des Tresters als Sauerteig änderten sich Geruch und Geschmack weniger. Da das typisch erdige Aroma der Roten Bete nicht bei allen beliebt ist, wäre hier die Verwendung des Tresters als Sauerteig zu bevorzugen. Der Trester hatte auch einen Einfluss auf die Färbung des Brotes, diese Färbung wurde mit höherer Tresterzugabe intensiver. Der Möhrentrester verursachte eine gelb-orange Krumenfarbe in beiden Verfahren (Direktzugabe und Sauerteig). Die direkte Zugabe der Rote Bete führte zu einer typisch rot-violette Färbung (Abb. 3). Bei der Sauerteigvariante veränderte sich die Farbe von rötlich-violett nach gelblich-orange. Das war bedingt durch die lange Fermentationszeit (16 h) und einer damit einhergehenden Verschiebung des pH-Wertes in den sauren Bereich (pH 3,5).
Die Zugabe von Trester zu Brot ist eine interessante und ausbaufähige Alternative zur konventionellen Verwertung. Neben den ernährungsphysiologischen Vorteilen bietet die große Vielfalt von Trester die Möglichkeit, einzigartige Produkte für jede Bäckerei zu entwickeln. Durch eine Vernetzung mit lokalen Saftherstellern kann die regionale Wertschöpfung zusätzlich optimiert werden. Den ausführlichen Artikel von Alexander Voss (ILU) können sie HIER lesen.
Studiendesign der NutriAct-Ernährungsintervention veröffentlicht
Die dreijährige NutriAct-Ernährungsstudie ist ein wesentliches Forschungsprojekt des NutriAct Clusters. Ziel der Interventionsstudie ist die Untersuchung einer Ernährungsempfehlung, welche den Gesundheitsstatus von 50- bis 70-Jährigen positiv beeinflussen könnte. Insbesondere ist das Ziel, altersbezogene Zivilisationskrankheiten zu vermeiden, die Funktion von Herz und Blutgefäßen sowie die Kognition und der Stoffwechsel zu verbessern, einer Leberverfettung vorzubeugen und die Muskelmasse zu erhalten. Dabei wird ein spezifisches Ernährungsmuster (NutriAct-Ernährungsmuster), welches auf einen hohen primär pflanzlichen Proteinanteil, mehr ungesättigte Fettsäuren, eine hohe Zufuhr an Ballaststoffen, eine reduzierte Kohlenhydrataufnahme und Produkte mit niedrigem glykämischen Index abzielt, mit einer üblichen Ernährungsberatung verglichen. Die Ernährungsstudie mit insgesamt 502 Teilnehmenden wird an der Charité-Universitätsmedizin Berlin sowie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke durchgeführt.
Im September 2020 ist nun das Studiendesign im Journal Medicine unter dem Titel „Long-term effects of a food pattern on cardiovascular risk factors and age-related changes of muscular and cognitive function” veröffentlicht worden. Der Artikel umfasst ausführliche Informationen zum Studiendesign, dem NutriAct-Ernährungsmuster, der Proband*innenrekrutierung sowie den primären und sekundären Endpunkten. Auch die angewendeten Methoden zur Datenerhebung, dem Datenmanagement und der anschließenden Analyse sind beschrieben.
Die Autor*innen betonen, dass nach ihrem Kenntnisstand die NutriAct-Ernährungsintervention die erste langfristige randomisierte kontrollierte Interventionsstudie mit großem Stichprobenumfang ist, die in einer deutschen Bevölkerung die Auswirkungen des beschriebenen Ernährungsmusters in der Altersgruppe der 50 -70-Jährigen untersucht. Eine wesentliche Unterstützung bei der langfristigen Umsetzung und Akzeptanz des NutriAct-Ernährungsmusters stellt die Aushändigung von spezifisch konzipierten Lebensmitteln dar. Insbesondere konzentrieren sich die Wissenschaftler*innen auf die Implementation des in der lokalen Bevölkerung beliebten Rapsöls als Quelle für Nahrungsfett.
Dem Zusammenhang zwischen Mikronährstoffen und altersbedingten Erkrankungen auf der Spur (Weber & Kochlik et al. 2020, Redox Biology)
Mikronährstoffe liefern dem menschlichen Körper zwar keine Energie, sind aber trotzdem essentiell für seine Funktion. Zu den Mikronährstoffen zählen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Der Körper benötigt diese in geringen Mengen für Wachstum und Entwicklung, die Bildung von Botenstoffen, Zell- und Gewebeerneuerungen aber auch für Abwehr- und Reparaturvorgänge. Zu den fettlöslichen Mikronährstoffen zählen unter anderem Carotinoide, Tocopherole (Vitamin E) und Retinol (Vitamin A). Von diesen weisen z.B. Carotinoide und Tocopherole antioxidative Effekte auf und schützen den Körper damit vor freien Radikalen (hochreaktiven Sauerstoffverbindungen), die die körpereigenen Zellen schädigen und so diverse Krankheiten begünstigen können. Eine verstärkte Nahrungsaufnahme sowie höhere Konzentrationen dieser fettlöslichen Mikronährstoffe im Blutplasma können vor unterschiedlichen altersbedingten Krankheiten wie Tumoren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atherosklerose aber auch kognitive Erkrankungen schützen. So weisen frühere Ergebnisse darauf hin, dass es für bestimmte Mikronährstoffe altersabhängige Unterschiede in der Blutplasmakonzentration gibt. Daten und Ergebnisse, die die Blutplasmakonzentrationen auch mit der Ernährung und weiteren Faktoren (z.B. Körpergewicht oder Raucherstatus) in Beziehung setzen, gibt es jedoch nur wenig.
Die im Februar 2020 erschienene retrospektive Analyse "Plasma carotenoids, tocopherols and retinol – Association with age in the Berlin Aging Study II " von Dr. Daniela Weber und Dr. Bastian Kochlik untersuchte nun diese Zusammenhänge etwas genauer. Dafür nutzten die Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke sowie der Charité-Universitätsmedizin Berlin und der Universitätsmedizin Greifwald Daten, die innerhalb der Berlin Aging Study II (BASE-II, auch Berliner Altersstudie genannt) in der Metropolregion Berlin im Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2015 erhoben wurden. Für die Untersuchung wurden zwei Proband*innengruppen ausgewählt: 22 37 Jahre alte junge Erwachsene (465 Teilnehmende) sowie 60 85 Jahre alte ältere Erwachsene (1508 Teilnehmende). Für die Studie wurden anthropometrische (Körpermaße) und demographische (z.B. Alter, Geschlecht und soziale Merkmale) Daten erhoben sowie Blutproben entnommen. Zudem sollten die Proband*innen über einen speziellen Fragebogen (FFQ, food frequency questionnaire) die Verzehrshäufigkeit der Portionen von Rohtomaten, Tomatensauce, Ketchup, Karotten, Karottensaft, Multivitaminsaft, Nüssen, Orangensaft, Mandarinen, Leinsamen, Spinat und die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln angeben.
Die Ergebnisse zeigen, dass männliche Probanden in beiden Altersgruppen im Vergleich zu weiblichen Studienteilnehmerinnen ein höheres Körpergewicht, einen höheren Body-Mass-Index (BMI) sowie eine höhere glomeruläre Filtrationsrate in der Niere aufweisen. Frauen wiederum besitzen höhere Cholesterinwerte. Die Analyse der fettlöslichen Mikronährstoffe zeigte einen positiven Zusammenhang zwischen dem Alter und der Tocopherol- sowie β-Carotin-Konzentration im Blutplasma. D.h. mit steigendem Alter "erhöht" sich die Menge an diesen beiden Mikronährstoffen im Blut. Lycopin und α-Carotin hingegen sind invers/negativ mit dem Alter assoziiert, d.h. mit steigendem Alter nimmt die Menge dieser im Blut ab. Kein Zusammenhang konnte für die untersuchten Nährstoffe Retinol, β-Cryptoxanthin und Lutein/Zeaxanthin gefunden werden. Diese Ergebnisse wurden für die genannten Mikronährstoffe, mit Ausnahme von Carotin, durch eine sogenannte statistische Adjustierung (d.h. Kontrolle) für potentielle Störfaktoren, wie BMI, Raucherstatus, die Jahreszeit, den Cholesterinwert und die Nahrungsauswahl, bestätigt und bekräftigt.
Insbesondere für Lycopin konnte eine starke inverse Beziehung mit steigendem Alter nachgewiesen werden. Auch frühere Studien wiesen auf diese Entwicklung im Alter hin. So zeigten Ergebnisse des europäischen MARK-AGE-Projektes eine Lycopin-"Abnahme" schon bei gesunden männlichen und weiblichen Probanden ab 35 Jahren. Die Plasmakonzentration der Mikronährstoffe hängt von den zu uns genommenen Lebensmitteln ab. Für Lycopin konnte gezeigt werden, dass der Verzehr von Tomatenprodukten zu einem höheren Lycopin-Anteil im Blutplasma führt. Die Ursache für die Lycopin-"Abnahme" im Alter ist bisher nicht geklärt. Möglicherweise ist die Bioverfügbarkeit, also die Aufnahmefähigkeit des Körpers für Lycopin, im Alter verringert. Hier kann der Magen-Darm-Trakt eine Rolle spielen. Auch (altersbedingte) physiologische Veränderungen oder Änderungen des Lebensstils können einen Einfluss haben. Die Zubereitung der Lebensmittel spielt ebenfalls eine Rolle für die Bioverfügbarkeit. Im Falle von Lycopin ist die Bioverfügbarkeit in prozessierten Tomaten höher als in rohen Tomaten.
Geringere Blutplasmakonzentrationen der Antioxidantien Lycopin und α-Carotin, welches insbesondere in Wurzelgemüse wie Karotten vorkommen, können zu höherem oxidativem Stress in den körpereigenen Zellen führen und damit einhergehende Krankheiten im Alter begünstigen. Die vorliegende Arbeit konnte erstmals zeigen, dass altersabhängige Unterschiede in der Plasmakonzentration neben der Nahrungsauswahl auch auf andere Faktoren zurückzuführen sind. Für die Aufklärung der besonders geringen Konzentration von Lycopin in älteren Menschen sind Bioverfügbarkeitsstudien mit genügend Probanden beider Geschlechter notwendig. Auch auf die Auswahl geeigneter Altersstufen und der Ausschluss von Proband*innen mit Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sollte geachtet werden. Derzeit arbeiten Dr. Weber und Prof. Tanja Schwerdtle (Universität Potsdam) im Teilprojekt 3 "Biomonitoring" zusammen mit Wissenschaftler*innen des Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) aus dem Teilprojekt 4 "Neue Produkte" an der Realisierung einer solchen Studie. Die Bioverfügbarkeitsstudie soll im Herbst 2020 starten.
Für weiterführende Informationen wenden Sie sich gern an Frau Dr. Weber daniela.weber[at]dife.de oder Herrn Dr. Kochlik bastian.kochlik[at]dife.de .